Musik in Osnabrück zur Zeit französischer Herrschaft
1803-1815
Reichsdeputationshauptschluss
Der Reichsdeputationshauptschluss war die Grundlage für das letzte bedeutende Gesetz des Heiligen Römischen Reiches. In ihm wurde festgesetzt, dass die weltlichen Fürsten für ihre linksrheinischen Gebietsverluste an Frankreich abgefunden werden sollten. Dies geschah durch Säkularisation kirchlicher sowie durch Mediatisierung kleinerer weltlicher Herrschaften bisheriger Reichsstände rechts des Rheins. Insgesamt wurden 2 Kurfürstentümer, 9 Hochstifte, 44 Reichsabteien und 45 Reichsstädte aufgelöst. 45.000 km² Land und fast 5 Millionen Menschen erhielten neue Landesherren.
Zugehörigkeit: Königreich Preußen
## Adieu den Franzosen, Merde für die Preußen! Ende 1805 verlassen die Blauröcke Osnabrück, um Napoleons Truppenkontingente im Kampf gegen Österreich und Russland zu stärken. Die mit Hannover verbündeten Preußen rücken in die Stadt ein und stellen die nächste Besatzungsmacht. Die Osnabrückischen Anzeigen wechseln, wie kaum anders zu erwarten, sofort die Seite. Plötzlich vergessen sie alle deutsch-französischen Avancen und drucken die preußische Annexion im Namen des dortigen Königs am 19. April 1806 kommentarlos ab. Ob solche Wendemanöver bei allen Lesern positiv aufgenommen werden, ist eher zweifelhaft. Der spätere Bürgermeister Johann Carl Bertram Stüve (1798-1872), der solche Ereignisse als Kind und Heranwachsender erlebt, schreibt einiges über jene Zeit auf. Er kann sich dabei vor allem auf die Erinnerungen seines Vaters Heinrich David Stüve (1757–1813) stützten. Jener ist von 1804 bis zu seinem Tod im Jahre 1813 Erster Bürgermeister der Stadt und auch während der französischen Zeit als ein von diesen akzeptierter „Maire“ im Amt geblieben. Die preußischen Besatzer, so muss es sein Sohn Johann Carl Bertram Stüve später zugeben, sind außerordentlich unbeliebt. Seine Worte machen sogar eine gewisse Verachtung überdeutlich: „Das Militär roh, die Offiziere als Knaben oder abgelebte Greise verächtlich und Desertion die Tagesordnung. Es ist das lebendige Bild einer früh gealterten, nicht auf Bürgersinn, sondern Administration beruhenden Verfassung, der man nur unterworfen wurde, um in ihren Verfall mit verwickelt zu werden.“ Quelle: Osnabrücker Rundschau
Napoleon krönt sich zum Kaiser
Nachdem er sich 1802 schon zum Konsul auf Lebenszeit hat ernennen lassen, folgt 1804 die Krönung zum Kaiser von Frankreich. Dabei wagt Napoleon den Eklat: In der Pariser Kathedrale Notre Dame entreißt er dem Papst die Krone und krönt sich kurzerhand selbst.
Dritter Koalitionskrieg
Der Dritte Koalitionskrieg, auch Zweiter Napoleonischer Krieg, fiel in das Jahr 1805. Er wurde ausgetragen zwischen Frankreich und seinen deutschen Verbündeten, insbesondere Württemberg, Bayern und Baden, und den Alliierten um Großbritannien, Russland, Österreich, Schweden und Neapel. Napoleon siegte in der Schlacht von Ulm. Einen Tag später wurde die französisch-spanische Flotte am 21. Oktober in der Schlacht von Trafalgar geschlagen. Eine vereinigte russisch-österreichische Armee wurde am 2. Dezember in der Schlacht bei Austerlitz von Napoleon besiegt. Daraufhin musste Österreich den Frieden von Pressburg schließen, während Russland und Großbritannien den Krieg fortsetzten. Das Ergebnis der Dritten Koalition war, dass Großbritannien zur See nun mehr die beherrschende Macht war. In Kontinentaleuropa dominierte Napoleon. Dieser gestaltete im Jahr 1806 die Verhältnisse vor allem in Deutschland grundlegend um. Er schuf den Rheinbund, dessen Mitglieder aus dem Heiligen Römischen Reich austraten. Daraufhin legte Kaiser Franz II. am 6. August die Krone des Reiches nieder.
Ende des heiligen römischen Reiches dt. Nation
Schon Karl der Große hatte den Anspruch erhoben, das Römische Reich fortzusetzen. Daran hielten auch die Ottonen fest, die an seine Herrschaft anknüpften. 1157 bzw. 1254 tauchten die Bezeichnungen „Sacrum Imperium“ und „Sacrum Romanum Imperium“ erstmals in Urkunden auf. Im 15. Jahrhundert wurde es üblich, den Zusatz „Nationis Germanicæ“ hinzuzufügen: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. In der Zeit seiner größten Ausdehnung umfasste das Heilige Römische Reich Deutscher Nation fast ganz Mittel- und Südeuropa. Dieses Reich war weder ein Nationalstaat noch ein Staatenbund. Eigentlich wurde es nur vom Kaiser zusammengehalten. Er verstand sich als Schirmherr der Christenheit, als weltliches Schwert neben dem Papst, dem kirchlichen Schwert (Zwei-Schwerter-Theorie). Grundlage seiner Herrschaft war das Treueverhältnis zwischen ihm und den Reichsfürsten aufgrund des Lehenswesens. ***Das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation*** Bayern verbündete sich am 25. August 1805 mit den Franzosen. Zwei Wochen später marschierten österreichische Truppen in Bayern ein, und Wien schloss sich der fünf Monate alten englisch-russischen Allianz an. Am 21. Oktober vernichtete die britische Flotte die französisch-spanische Armada vor Trafalgar. Admiral Horatio Nelson, der mit seinem Flaggschiff „Victory“ das Feuer eröffnete und die feindlichen Linien durchbrach, fiel zwar in der Seeschlacht, aber der Sieg sicherte die britische Seeherrschaft. Fast zur gleichen Zeit stießen französische Truppen zu Lande erfolgreich gegen Österreich vor. Im November erreichten sie Wien, und Napoleon richtete sich im Schloss Schönbrunn ein. Am ersten Jahrestag seiner Krönung (2. Dezember 1805) besiegte er Kaiser Franz II. und Zar Alexander I. in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz. Im Friedensvertrag von Preßburg mussten die Habsburger am 26. Dezember 1805 beträchtliche Gebietsverluste hinnehmen – zugunsten der Fürsten von Bayern und Württemberg, die Napoleon am 1. Januar 1806 zu Königen erhob. Sechzehn deutsche Reichsstände schlossen sich am 12. Juli 1806 in Paris unter französischem Protektorat zum Rheinbund zusammen und kündigten ihre Zugehörigkeit zum Reich auf. Damit war es Napoleon gelungen, deutsche Satellitenstaaten gegen Österreich aufzubauen. Franz II. beugte sich dem Druck und erklärte am 6. August 1806, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sei erloschen. Da er sich zwei Jahre vorher zum „Kaiser von Österreich“ proklamiert hatte, verblieb ihm wenigstens dieser Titel.
Entstehung des Rheinbundes
Der Rheinbund (französisch Confédération du Rhin, offiziell États confédérés du Rhin, deutsch offiziell Rheinische Bundesstaaten) war eine auf Initiative des französischen Kaisers Napoleon 1806 in Paris gebildete Konföderation deutscher Staaten, die mit der Gründung dieses Bündnisses aus dem Verband des Heiligen Römischen Reiches austraten. Durch die Rheinbundakte war die Konföderation als Militärallianz mit dem französischen Kaiserreich gegründet worden. Napoleon fungierte in diesem Gebilde als „Bundesprotektor“, im politischen Wortsinn eines Beschützers oder einer Schutzmacht. Frankreich selbst gehörte der Konföderation aber nicht an. Das Ziel, den Rheinbund von 1806 zu einem Staatenbund mit gemeinsamen Organen auszubauen, scheiterte am Widerstand der größeren Mitgliedsstaaten. Faktisch blieb der Rheinbund im Wesentlichen ein Militärbündnis deutscher Staaten mit Frankreich. Er brach nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 zusammen. Wurde der Rheinbund in der preußisch-deutschen Historiografie lange Zeit nur unter dem Gesichtspunkt der napoleonischen Herrschaftssicherung gesehen, gelten heute die in den Rheinbundstaaten durchgeführten Reformen neben den preußischen Reformen als wichtige Schritte zur staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung der Mitgliedsstaaten.
Vierter Koalitionskrieg
Der Vierte Koalitionskrieg, auch Dritter Napoleonischer Krieg oder Feldzug gegen Preußen fand in den Jahren 1806 und 1807 zwischen Frankreich und den mit ihm verbundenen Staaten wie den Mitgliedern des Rheinbundes auf der einen Seite und im Wesentlichen Preußen und Russland auf der anderen Seite statt. Der alte preußische Staat brach nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 zusammen. Der Hof floh nach Ostpreußen. Die Hauptlast des Krieges lag nunmehr bei Russland. Nach der entscheidenden Niederlage gegen Napoleon in der Schlacht bei Friedland beendete der Frieden von Tilsit den Krieg. Preußen verlor dabei fast die Hälfte seines Gebietes, musste hohe Kriegsentschädigungen leisten und sank auf den Status eines minder mächtigen Staates herab. Dagegen befand sich Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Erste Fahrt einer Schienendampflokomotive
Kontinentalsperre gegen Großbritannien
Die Kontinentalsperre (französisch blocus continental, englisch continental system) war eine von Napoleon am 21. November 1806 in Berlin verfügte Wirtschaftsblockade über das Vereinigte Königreich und dessen Kolonien. Das in Frankreich schon 1796 bestehende Importverbot für britische Waren wurde infolge der militärischen Siege Napoleons auf die kontinentaleuropäischen Staaten ausgeweitet. Großbritannien sollte mit den Mitteln des Wirtschaftskrieges zu Verhandlungen mit Frankreich gezwungen und die französische Wirtschaft gegen europäische und transatlantische Konkurrenz geschützt werden.
Napoleon erlässt den Code d’instruction criminelle
Der code d’instruction criminelle wurde am 16. November 1808 erlassen und galt für die französische Strafprozessordnung in Frankreich und auch in den dominierten Gebieten. Nach dem code d’instruction criminelle wurden Übertretungen (frz. contraventions) vor den einfachen Polizeigerichten (frz. tribunaux de simple police), sogenannte Vergehen (frz. délits) vor den Zuchtpolizeigerichten (frz. police correctionnelle) und sogenannte Verbrechen (frz. crimes) vor den Schwurgerichten (frz. cour d’assises) verhandelt. Das Vorbild dieser Regelung führt in der Folge in den deutschen Staaten zum Ende der Inquisitionsverfahren aus der Zeit des Heiligen Römischen Reichs.
Uraufführung Beethovens "Eroica" (Napoleon gewidmet)
Als Beethovens "Eroica" am 7. April 1805 zum ersten Mal öffentlich präsentiert wurde, war der Zuspruch des Publikums gering. Die Kritiker begeisterte eher die Sinfonie in Es-Dur op. 33 des österreichischen Komponisten Anton Eberl, die im gleichen Konzert gespielt wurde. Heute ist es umgekehrt. Beethovens dritte Sinfonie gilt als Schlüsselwerk des 19. Jahrhundert und Meilenstein in der Gattungsentwicklung der Sinfonie. Beethoven ließ sich von den Idealen der französischen Revolution zu der Komposition inspirieren und verehrte Napoleon Bonaparte. Ferdinand Ries, Schüler Beethovens, beschrieb den Einfluss des Franzosen auf die Entstehung der Sinfonie 1838 in seinen Erinnerungen: "Bei dieser Symphonie hatte Beethoven sich Buonaparte gedacht, aber diesen, als er noch erster Consul war. Beethoven schätzte ihn damals außerordentlich hoch, und verglich ihn den größten römischen Consuln." Ausdruck findet diese Bewunderung in Beethovens Sinfonie durch die Prometheus-Figur. Die musikalischen Anlehnungen an seine bereits 1801 komponierte Ballettmusik "Die Geschöpfe des Prometheus" op. 43 sind im vierten Satz unüberhörbar. Doch die Begeisterung des Komponisten für den französischen Konsul hielt nicht lange. Am 2. Dezember 1804 krönt sich Napoleon zum Kaiser, und Ferdinand Ries erinnert sich: "Ich war der erste, der ihm die Nachricht brachte [...], worauf er in Wuth gerieth und ausrief: "Ist der auch nichts anderes, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize fröhnen; er wird sich nun höher, wie alle Anderen stellen, ein Tyrann werden!" Beethoven ging an den Tisch, faßte das Titelblatt oben an, riß es ganz durch und warf es auf die Erde."
Fünfter Koalitionskrieg
Der Fünfte Koalitionskrieg war ein Krieg zwischen Frankreich und Österreich. Österreich hoffte darauf, dass Napoleons Truppen in Spanien gebunden seien, das sich von der Fremdherrschaft der Franzosen lösen wollte und um seine Unabhängigkeit kämpfte. Das aber sollte sich als Fehleinschätzung erweisen. Am 10. April 1809 griff Österreich das mit Frankreich verbündete Bayern an. Der Feldherr der Österreicher, Erzherzog Karl, rückte mit seinen Truppen vor. Bei Regensburg mussten die Österreicher hohe Verluste hinnehmen. Am 13. Mai wurde Wien von den Franzosen besetzt. Bei ihrem Rückzug zerstörten die Österreicher die Brücken über die Donau. Am 21. und 22. Mai 1809 kam es zur Schlacht bei Aspern östlich von Wien, als Napoleon versuchte, das andere Donauufer zu gewinnen. Unter Erzherzog Karl drängten die Österreicher Frankreich zurück und verhinderten die Überquerung des Flusses. Es war Napoleons erste Niederlage in einer Feldschlacht. Die angebliche Unbesiegbarkeit Napoleons war damit wiederlegt. Trotzdem konnte Napoleon seinen Ruf in der Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 1809 wieder herstellen. Beide Seiten erlitten hohe Verluste, doch Napoleon blieb Sieger. Die Österreicher wichen zurück und schließlich bat Karl um Waffenstillstand. Am 14. Oktober 1809 schloss Österreich mit Frankreich den Frieden von Schönbrunn. Franz I. musste mehrere Gebiete an Bayern und an Frankreich abtreten, Österreich war nach der Niederlage geschwächt. Ein Aufstand in Tirol unter Andreas Hofer wurde von bayerischen Truppen niedergeschlagen. Napoleon heiratete im März 1810 die österreichische Kaisertochter Marie Louise. Von seiner Frau Josephine hatte er sich im Jahr zuvor getrennt, da sie ihm nicht den erwünschten Thronfolger gebar.
Napoleon heiratet Marie Louise von Österreich
1809 begab sich Napoleon auf Brautschau, nachdem er sich von seiner Gemahlin Josephine hatte scheiden lassen, da sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Die Habsburgerin Marie Louise schien ihm die ideale Kandidatin. Die Tatsache, dass sie aus einer der vornehmsten Dynastien Europas stammte, spielte bei Napoleons Überlegungen wohl eine große Rolle. Kaiser Franz II./I. verweigerte zunächst seine Zustimmung, gab aber, nachdem Metternich ihn von den Vorzügen dieser Ehe überzeugen konnte, schließlich nach. Die Braut, Marie Louise, war in dieser Sache nur ein Spielball der Mächte. Trotz großer Bedenken ihrerseits fügt sie sich schließlich in ihr Schicksal. Aus der Vernunftehe entwickelte sich jedoch wider Erwarten eine harmonische Beziehung, aus der ein Sohn entsprang: Napoleon II. Franz Bonaparte, in Frankreich auch bekannt als „L’Aiglon“ (der kleine Adler).
Napoleon erklärt den Kirchenstaat für aufgelöst
Nachdem die katholische Staatskirche im revolutionären Frankreich abgeschafft worden war, begann der groß angelegte Prozess einer Entchristianisierung. An die Stelle des Katholizismus sollte ein Revolutionskult treten, der sich den Idealen der Aufklärung verschrieben hatte. An die Stelle von Gott sollte die Vernunft treten. Sogar ein eigenes Glaubensbekenntnis hatte man geschaffen, das mit den Worten begann: „Ich glaube an die neue französische Republik.“ Als Symbol des neuen Kultes stellte man sogenannte „Freiheitsbäume“ auf, die mit der roten Jakobinermütze geschmückt wurden. Unter der Terrorherrschaft des Wohlfahrtausschusses von Robespierre entwickelte sich der neue Kult aber zunehmend zur Farce. Die Parallelen zwischen der alten Heiligenverehrung und der Verehrung der Märtyrer der Revolution nahm immer groteskere Züge an. Vor allem der ermordete Führer Marat stand im Zentrum der neuen Pseudoreligion. Für ihn wurde ebenfalls ein neues Bekenntnis geschaffen: „Ich glaube an Marat, den Allmächtigen, Schöpfer der Freiheit und der Gleichheit.“ „Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken, als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekreditieren.“ Diese Worte von Papst Pius VI. über die Erklärung der Menschenrechte zeigen deutlich die Ablehnung, mit der die Kirche der Französischen Revolution gegenüberstand. Nachdem Hunderte Priester in Pariser Gefängnissen gelyncht worden waren, rief Pius VI. die übrigen Mächte Europas sogar offen zum Kampf gegen Frankreich auf. Die Revolutionäre hingegen versuchten ihrerseits einen neuen „Kult der Vernunft“ zu etablieren.
Befreiungskriege
## Napoleons Russlandfeldzug An Napoleons Russlandfeldzug 1812 beteiligten sich zahlreiche deutsche Soldaten, die ihm aufgrund des Rheinbundes militärische Unterstützung leisten mussten. Der Feldzug wurde für Napoleons Truppen aber zur Katastrophe. Ein starker Widerstandskampf der russischen Militärs, Kälte und Hunger führten zu einer verheerenden Niederlage. Am Ende des Jahres 1812 kehrte nur eine Minderheit der napoleonischen Truppen zurück. Mit Russlands Sieg kam es zur entscheidenden Wende in den Koalitionskriegen. Zar Alexander I. wollte Napoleons Herrschaft in Europa nun ganz stürzen und das vorherige Gleichgewicht der Großmächte wiederherstellen. ## Preußens Bündnis mit Russland Seit der Niederlage bei Jena und Auerstedt 1806 hatte sich Preußen nicht mehr am Krieg beteiligt. Zunächst sollten die preußischen Reformen durchgeführt werden, um Verwaltung und Militär effizienter zu gestalten. Nach langem Zögern des preußischen Königs Wilhelm III. kam es am 26. Februar 1813 zwischen Preußen und Russland zum Vertrag von Kalisch. Darin wurde unter anderem beabsichtigt, auch Österreich und Großbritannien für dieses Bündnis zu gewinnen. Eine Kommission sollte Truppen aus allen deutschen Gebieten rekrutieren und sich mit einer politischen Nachkriegsordnung beschäftigen. Am 17. März 1813 erfolgte schließlich Preußens Kriegserklärung an Frankreich. König Wilhelm III. warb mit seiner Rede “An mein Volk” um Unterstützung in der preußischen Bevölkerung. Der Hass gegen die französische Vorherrschaft erregte einen allgemeinen Patriotismus. Es bildeten sich zahlreiche freiwillige Wehrverbände wie das Lützowsches Freikorps, dessen schwarz-rot-goldenen Uniformfarben später in der deutschen Nationalflagge übernommen wurden ## Befreiungskriege Begünstigt wurde der Krieg gegen Napoleon dadurch, dass sich auch Großbritannien mit der Flotte im Meer und einer Armee in Spanien militärisch beteiligte. Da Napoleon einige Truppen in Spanien stellen musste, kam es für die Koalition zu einer strategisch günstigen Kriegslage. Frankreiche Einfluss über Europa ging in der Folgezeit schrittweise zurück. In der Konvention von Reichenbach am 27. Juni 1813 traten auch Großbritannien und Österreich dem anti-französischen Bündnis bei. Staatskanzler Metternich machte sich zu einer wichtigen diplomatischen Persönlichkeit. Er wollte unbedingt die Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts erreichen, damit unter den Großmächten nicht neue Kriege entstehen könnten. Darüber einigten diese sich in der Allianz von Teplitz. Die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 markierte einen entscheidenden Einschnitt in den Befreiungskriegen. Damit erfolgten die Auflösung des Rheinbundes und Napoleons Rückzug. Nach einigen gescheiterten Friedensverhandlungen und dem Einmarsch der alliierten Truppen in Paris musste Napoleon am 11. April 1814 abdanken. Er floh auf die Elba. Trotz des Friedens von Paris kehrte Napoleon im März 1815 nach Frankreich zurück, um die Macht erneut zu ergreifen. Seine Herrschaft der Hundert Tage wurde in der Schlacht bei Waterloo endgültig gebrochen. Der Krieg wurde offiziell mit dem Zweiten Pariser Frieden am 20. November 1815 beendet. In Frankreich übernahmen wieder die Bourbonen die Macht.
Völkerschlacht bei Leipzig
## Beginn der Entscheidungsschlacht Die größte und wichtigste Schlacht der Befreiungskriege fand vom 16. bis zum 19. Oktober 1813 unweit von Leipzig statt. In der Völkerschlacht schlossen sich die Armeen Österreichs, Preußens, Russlands und Schwedens gegen die zahlenmäßig unterlegenen französischen Streitkräfte zusammen. Insgesamt waren rund 530.000 Soldaten beteiligt – so viele wie noch nie zuvor in einem einzelnen Gefecht. Bereits im August und September hatten die Franzosen bei Dresden herbe Niederlagen erlitten, woraufhin sie sich nach Leipzig zurückzogen. Dort bereitete sich Napoleon auf die entscheidende Schlacht vor. Der französische Kaiser, der zu Beginn des Gefechts unter anderem vom sächsischen König Friedrich August I. unterstützt wurde, verfügte über knapp 200.000 Mann. Am Morgen des 16. Oktober 1813 eröffneten die Alliierten das Gefecht gegen die eingekesselten Franzosen. Wie erbittert die Kämpfe geführt wurden, zeigt sich am Beispiel des Dorfes Markkleeberg. Vier Mal drängten sich dort die preußischen und französischen Truppen hin und her, bevor der preußische Generalfeldmarschall Friedrich Graf Kleist von Nollendorf schließlich den Ort behaupten konnte. Trotzdem gelang es Napoleon wiederholt dank seiner starken Artillerie, die alliierten Armeen zu schwächen. Derart ermutigt, versuchten die Franzosen noch am ersten Schlachttag, die feindlichen Stellungen zu durchbrechen, scheiterten aber. ## Napoleons Niederlage Nachdem der zweite Tag der Völkerschlacht relativ ruhig verlaufen war, bahnte sich am 18. Oktober eine Entscheidung an. Die Alliierten hatten sich zwischenzeitlich verstärkt und waren nun zahlenmäßig drückend überlegen. Als dann auch noch die sächsischen Truppen zu den Verbündeten überliefen, war die Niederlage Napoleons nicht mehr aufzuhalten. Die französische Armee wurde immer weiter in Richtung Leipzig zurückgedrängt, sodass letztendlich nur der vollständige Rückzug blieb. Da der Ring um die Stadt von den Alliierten nicht vollständig geschlossen war, gelang es dem geschlagenen Napoleon in den Morgenstunden des 19. Oktober, mit einem Teil seiner Armee nach Westen zu entkommen. Die Verbündeten nahmen daraufhin Leipzig ein. Wie viele der rund 530.000 beteiligten Soldaten in der Völkerschlacht fielen, wird in heutigen Quellen unterschiedlich angegeben. Man geht jedoch von etwa 90.000 bis 120.000 Toten aus. Rund 30.000 französische Soldaten wurden in Leipzig von den Alliierten gefangen genommen. ## Politische Folgen der Schlacht Napoleon musste sich nach dieser vernichtenden Niederlage nach Westen über den Rhein zurückziehen. Der Rheinbund löste sich auf, die französische Herrschaft in Deutschland war damit beendet. Die Alliierten verfolgten Napoleon nach Frankreich und nahmen am 30. März Paris ein. Daraufhin dankte dieser als französischer Kaiser am 6. April ab und zog sich auf die Insel Elba zurück. Zwar kehrte Napoleon ein knappes Jahr später noch einmal überraschend zurück, doch die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 setzte der politischen Karriere des machthungrigen Korsen endgültig ein Ende. Bereits zuvor hatten die europäischen Staatsmänner 1814 und 1815 auf dem Wiener Kongress die Neuordnung des Kontinents beschlossen. Unter Vorsitz des Österreichers Fürst von Metternich einigten sich die Kongressteilnehmer darauf, in Europa ein Kräftegleichgewicht zwischen den Großmächten Preußen, Österreich, Russland, Großbritannien und Frankreich herzustellen.
Schlacht bei Waterloo
In der Schlacht von Waterloo (südlich von Brüssel) prallten am 18. Juni 1815 die von Napoleon geführten Franzosen (ca. 72.000 Mann) auf die anglo-alliierten Truppen unter General Wellington (ca. 68.000 Mann) und die mit ihnen verbündeten Preußen unter Feldmarschall Blücher (ca. 48.000 Mann). Trotz massiver Angriffe gelang es Napoleon nicht, die Reihen Wellingtons zu durchbrechen. Als am späten Nachmittag preußische Verbände auf dem Schlachtfeld erschienen und Napoleons rechte Flanke angriffen, war der Kampf entschieden. Nachdem ein letzter verzweifelter französischer Angriff mit der Elitetruppe der Alten Garde am frühen Abend scheiterte, wandte sich das französische Heer zur Flucht. Die Reste der kaiserlichen Garde deckten den Rückzugsweg der Fliehenden. Von den ca. 188.000 Mann beteiligter Soldaten wurden ungefähr 51.000 Mann verwundet oder fielen auf dem Schlachtfeld.
Zugehörigkeit: Frankreich/Königreich Westphalen
## König Jerome – Napoleos Bruder Nach der verheerenden Niederlage der preußischen Truppen in den Schlachten von Jena und Auerstedt ist es nur eine Frage der Zeit, bis französische Soldaten ein weiteres Mal in Osnabrück einziehen. Erneut quartieren sie sich, wie vorher Hannoveraner und Preußen, in Häusern Osnabrücker Bürger ein. Wieder einmal werden die Osnabrücker Anzeigen zum Spiegel der Ereignisse. Die Leser erfahren, dass Stadt und Umland fortan, gemeinsam mit Münster, Tecklenburg und Lingen, zum „Premier gouvernement des pays conquis“ gehören. Nach dem Frieden von Tilsit vom Juli 1807 wird das Gebiet dem Königreich Westfalen zugeschlagen. Gekrönt wird Napoleons Bruder Jerome. In den Anzeigen vom 29. November 1806 erscheint zur Freude manchen Osnabrücker die Proklamation des Generalgouverneurs Loison, wonach die genannten Gebiete „niemals wieder unter die preußische Oberhoheit geraten sollen.“ Als König Jerome im Jahre 1808 erstmals Osnabrücker Boden betritt, wird er mehr als nur höflich begrüßt: „Er wurde mit ziemlichem Jubel begleitet“, muss Wagner in seinen Erinnerungen zugeben. Der westfälische Regent Jerome bedient sich gern der jeweiligen Lokalblätter, um seine Nähe mit der Bevölkerungsmehrheit zu betonen. Die Leser der Anzeigen können diese Haltung in der weihnachtlichen Ausgabe vom 26. Dezember 1807 nachlesen, als Jerome eindeutig Partei nimmt und die Menschen an die Chancen der neuen Verfassung (hier französisch „Constitution“ genannt) erinnert: „Nur zu lange wurden eure Fluren durch Familien-Ansprüche oder Kabinetts-Intrigen gedrückt. Alle Drangsale des Krieges wurden euch zuteil und ihr bliebet ausgeschlossen von den Vorteilen des Friedens. (…) Entfernt aus euren Gedanken das Andenken an jene zerstückelten Herrschaften, die letzten Überbleibsel des Lehnswesens, wodurch fast jeder Flecken einen eigenen Herrn erhielt. Einwohner Westfalens! Ihr habt eine Constitution!“ Die jetzt wieder pro-französischen Anzeigen bemühen sich aktiv darum, derartige Appelle zur Verbundenheit unter allen Lesern schnell zu verbreiten. Berichte und Ankündigungen spiegeln wider, dass sich Alt-Osnabrücker und Franzosen durchaus verstehen. Wer beispielsweise am Samstag, dem 21. Februar 1808, das Anzeigenblatt aufschlägt und aufmerksam studiert, erfährt von einem harmonisch anmutenden Armee-Ball. Gastgeber ist das Offizierskorps des 1. Polnischen Kavallerie-Regiments. Dies wiederum ist mit den Franzosen eng verbündet und fest in deren Armee integriert. Wie lang die Harmonie zwischen Osnabrückern und Franzosen tatsächlich währt, ob sich in Wahrheit auch andere Facetten zeigen, als sie in den Anzeigen vermittelt werden, ist im Nachhinein schwer zu beurteilen. Unbestritten bleiben jedoch auch Gemeinsamkeiten, die sich alltäglich in Form geschlossener Freundschaften und sogar aufwändig gefeierter Eheschließungen zeigen. Auch dies berichtet Wagner. Danach kamen mehrere Osnabrückerinnen und Franzosen „in den Stand der heiligen Ehe, und es ist eine Lust zu sehen, wie an schönen Sommertagen alles sich da fröhlich unter dem Schmettern der Trompeten und den lieblichen Klängen der anderen Instrumente vergnügte.“ Dass zeitweise sogar ein herzliches Miteinander herrscht, muss Wagner danach auch an anderer Stelle einräumen: Es seien „wirklich freundschaftliche Verhältnisse vorhanden“, ganz generell „hörte man in dieser Periode von keinen Beschwerden?“ Ob die Osnabrückischen Anzeigen zu dieser zarten Harmonie beigetragen haben? Wir dürfen es mindestens vermuten. ## Wachsende Unzufriedenheit hemmt Begeisterung Was irgendwann doch zur Unbeliebtheit der Franzosen beiträgt, sind zum einen die Steuerlasten. Ebenso wird die wirtschaftliche Not bei all denjenigen größer, die nicht vom schwunghaft steigenden Schleichhandel profitieren. Auch die französische Kontinentalsperre gegen England führt am Ende zum Einbruch von Handelsbeziehungen und damit zu Versorgungsengpässen. Unfrieden entsteht häufig auch da, wo Pferde oder Fuhrwerke für Armeezwecke „requiriert“ werden, was deren Besitzer als unrechtmäßige Enteignung empfinden. Als besonders bedrückend erscheint die Erfassung junger Männer in die allgemeine Wehrpflicht. Die Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen kommen nicht umhin, diesen Unmut, wenn auch indirekt, anzudeuten. Ein Beispiel dazu sind wiederholt angedrohte Strafankündigungen für all jene, die sich noch nicht in die Liste der „Konskribierten“ haben eintragen lassen. Zugleich herrscht eine ständige Fahndung nach desertierten Soldaten, die höchste Sanktionen bis hin zur Todesstrafe erwarten müssen. Verdeutlicht werden derartige Themen in der Ausgabe vom 29. Oktober 1808, in der eine detaillierte Liste mit den Namen von Fahnenflüchtigen abgedruckt ist. Angeblich sind die Gesuchten wohl im Osnabrücker Umland untergetaucht und sind dort heimlich versteckt worden. Wie hart die einheimische Bevölkerung der Einzug wehrfähiger junger Männer trifft, ist im Hinblick auf das ungewisse Schicksal der einberufenen Soldaten verständlich. Nachrichten über das aktuelle Schlachtengeschehen sind, das kommt dazu, auch in den Anzeigen spärlich verbreitet. Falls etwas nachzulesen ist, betrifft die jeweilige Meldung im Regelfall nur militärische Siege der napoleonischen Kämpfer. Dass derartige Erfolgsmeldungen allmählich seltener veröffentlicht werden, dürfte den Lesern auffallen. Die Zwangsrekrutierung junger Männer verschärft zugleich die wirtschaftliche Not im Inneren. Denn nur den allerwenigsten Bauern und Handwerksmeistern ist es möglich, mit zusätzlichem Geld Ersatzarbeitskräfte einzustellen. Entsprechend sinken die Erträge ebenso wie die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs. ## District Francaise: Osnabrück zählt zu Frankreich! Was sich regierungsamtlich bereits seit Jahren vollzogen hatte, wird anno 1811 auch offiziell: Im April erlebt Osnabrück eine grundlegende Änderung seiner staatlichen Zuordnung. Sie wird in der Geschichte einmalig bleiben: Die Stadt gehört fortan offiziell zu Frankreich! Verwaltungstechnisch sind die Menschen dem Ober-Ems-Departement zugeordnet. Alle bis dahin trennende Landesgrenzen sind aufgehoben. Das Departement erstreckt sich rund 30 km nach Süden sowie bis über 50 km nach Norden, Westen und Osten. Als Maire Osnabrücks fungiert erneut Heinrich David Stüve. Die Anzeigen bestehen weiterhin doppelsprachig fort. Im Kopf wird dies seit dem 20. April 1811 durch den Untertitel „Öffentliche Anzeigen des Ober-Ems-Departements“ unterstrichen. Seit Januar 1812 heißt es offiziell sogar im reinen Französisch „Feuille d’Affiches d’Annonces et d’Avis divers de la ville d’Osnabruck – Öffentliche Ansichten und Anzeigen der Stadt Osnabrück“. Am 20. Januar 1813 wird kurzzeitig ein französisches Wappen hinzutreten, um die neue nationale Zugehörigkeit zu unterstreichen. Besonders markant wird die staatliche Zuordnung im inhaltlichen Teil der Anzeigen: Je eine Spalte ist auf Deutsch, deren Übersetzung auf Französisch verfasst. ## France passe‘ – und Trauer um die Kriegstoten Ein bislang in der hiesigen Geschichtsschreibung wenig bearbeitetes Kapitel ist jenes über Kriegstote aus dem Osnabrücker Land, die ab 1812 ihr Leben für den französischen Russlandfeldzuges opfern müssen. Zumal Wehrpflicht besteht und Napoleons Armee auch westfälische Soldaten wie solche aus Osnabrück umfasst, dürfte die Zahl der Toten und Verkrüppelten auch in der Hasestadt enorm gewesen sein. Um sich ein ungefähres Bild von Osnabrücker Kriegsopfern zu machen, dient ein einfaches Rechenbeispiel: Die Grande Armée hat Ende 1812 beim Feldzug gegen Russland weit mehr als 500.000 Soldaten in Marsch gesetzt. Die Truppen bestehen dabei zur guten Hälfte aus Italienern, Deutschen, Schweizern, Niederländern, Belgiern, Kroaten, Polen, Iren, Portugiesen oder Spaniern. Die meisten der Nicht-Franzosen müssen sich ungefragt und notgedrungen wegen der Bündnisverpflichtungen ihres Landesherrn in die Grande Armée einfügen. Die Osnabrücker zählen nicht einmal dazu. Denn sie gelten seit der staatlichen Einverleibung als Franzosen mit deutschen Wurzeln. Anzunehmen ist, dass sich in französischen Reihen auch ein Gutteil solcher Männer befindet, die sich freiwillig zum Armeedienst verpflichtet haben. Über 27.000 Mann hat allein das gut 2 Millionen Bewohner zählende Königreich Westfalen zum Feldzug befohlen. Von jenen 27.000 Landeskindern kehren nach der militärischen Katastrophe allenfalls 800 (!) in ihre Heimat zurück. Von 35 Kämpfenden ist es somit allenfalls ein einziger, der das Grauen des Russland-Abenteuers überlebt hat. Nehmen wir rein statistisch an, der Anteil Osnabrücker Kriegstoter hätte demjenigen aller westfälischen Mitkämpfer entsprochen, können wir womöglich, sehr vorsichtig geschätzt, von mindestens 100 umgekommenen Soldaten aus der Stadt ausgehen. Falls dies so ist, müssen wir angesichts der damals rund 9.200 Einwohner von einem immensen Verlust an jungen Männern sprechen, die sehr viele Familien betrifft. Hochgerechnet auf die heutige Einwohnerzahl wären beinahe 2.000 Menschenleben zu beklagen. Ausgehen dürfen wir auch deshalb davon, dass Napoleons Russland-Katastrophe sehr wohl ein wichtiger Gesprächsgegenstand unter Einheimischen wie unter den Besatzungssoldaten ist. Im Kislingschen Anzeigenblatt ist das Russland-Desaster nur indirekt am 3. März 1813 im Rahmen eines Tagesbefehls an die örtlichen Truppen angedeutet. Viel deutlicher ist der Eindruck, den Osnabrücker später von durchziehenden, größtenteils zerlumpten oder auch typhuskranken Angehörigen der „Grande Armée“ gewinnen. Die Desertation örtlicher Wehrpflichtiger erreicht in jener Zeit ihren Höhepunkt. Am 1. Mai 1813 verdeutlichen dies sogar die lokalen Anzeigen. Was die Leser des Blattes aus der offiziellen Feder des zuständigen Präfekten entnehmen, ist diesmal eindeutig wie selten zuvor: „Die Desertion hat seit einiger Zeit in diesem Departement beträchtliche Fortschritte gemacht. Eine Menge Konskribierte (heißt: von der Wehrpflicht erfasste Personen) haben sich nicht zum Abmarsch gestellt.“ Im Deckel jener Blatt-Sammlungen aus 1813, die später im Ratsgymnasium archiviert werden, ist nachzulesen, was wohl keinem Zeitzeugen entgeht: „Den 3. November zogen die letzten Franzosen, etwa 1.000 Mann stark, … hier ab.“ Im Nachklang dieses Abzuges vernehmen die Blatt-Leser kleinformatige Anzeigen, in denen zu Spenden für Kriegsopfer aufgerufen wird. Auch dies belegt, dass unter den Kriegsopfern sehr viele Osnabrücker sind, die häufig mittellose und damit notleidende Angehörige hinterlassen. Mit diesen Ereignissen ist die kurze französische Zeit in Osnabrück endgültig beendet. Wenn im heutigen Paris versucht wird, der Revolution von 1789 bis hin zu den Napoleonischen Kriegseroberungen etwas Positives abzugewinnen, gilt dies auch für Osnabrück: Hausnummern und bewährte Friedhöfe jenseits der Wälle bleiben stille Zeugen einer Zeit, die im modernen Osnabrück fast vergessen erscheint. Quelle: Osnabrücker Rundschau
Zugehörigkeit: Frankreich
## Das „undeutsche“ Osnabrück Nationalgefühl? Fehlanzeige! Mit Beginn des 19. Jahrhunderts durchleben die rund 8.500 Menschen in Osnabrück einen beispiellosen Wandel ihrer staatlichen Zugehörigkeit. Seit Jahrhunderten sind es die hiesigen Menschen gewohnt, in einem eigenen kleinen Staatsgebilde zu leben. Das damalige Fürstbistum Osnabrück, gemeinhin auch Hochstift genannt, umfasst im Wesentlichen das Territorium der heutigen Stadt, des Landkreises sowie das Gebiet um Vörden und Hunteburg. Sobald nach dem Friedensschluss von 1648 protestantische Fürstbischöfe aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg regieren, besteht notgedrungen eine Nähe zum Kurfürstentum Hannover. Dies wiederum ist verwandtschaftlich eng verbandelt mit dem britischen Königshaus. Als symbolischen Ausdruck der Nähe zu Hannover gilt seit rund 100 Jahren das Osnabrücker Schloss am Neuen Graben, das für gewöhnlich als Kommando-Sitz der rotberockten hannoverschen Soldaten dient. Die „Rotröcke“, ausgestattet mit Uniformen im „Bramscher Rot“ aus der Produktion der Bramscher Tuchmachergilde, zählen lange Jahre zum Stadtbild. Von britischen Waffenträgern sind sie kaum zu unterscheiden. Beliebt sind sie bei einem Großteil der Menschen aber keineswegs. Das wiederum besitzt seinen natürlichen Grund: Mangels eigener Kasernen sind die Bewaffneten in Bürgerhäusern unterzubringen und von dessen Bewohnern zu beköstigen. Nur reiche Osnabrücker können sich von dieser Verpflichtung freikaufen. Am schlechten Ansehen der Rotröcke können auch regelmäßige Mitteilungen in den „Wöchentlichen Anzeigen“, dem amtlichen Lokalblatt, nichts ändern, die meistens irgendwelche Anordnungen der jeweiligen Kommandantur beinhalten. ## Kampf den „Fremden“ aus Hannover! Ein Ereignis gibt es, das ganz besonders vor Augen führt, wie es um das Verhältnis zu den hannoverschen Soldaten bestellt ist: Es sind die Geschehnisse um den sogenannten Gesellenaufstand von 1801. Unvergessen bleibt, dass im Sommer jenes Jahres ein gemeinsamer Aufstand von revoltierenden Handwerksgesellen und großer Teile der heimischen Bevölkerung in Form eines Zusammenspiels von Stadtspitze und hannoverschen Truppen mit 10 Todesopfern blutig niedergeschlagen wird. Zeugenaussagen belegen später kämpferische Ansprachen, die als eindeutige Sympathiebekundungen mit der Französischen Revolution zu werten sind. Die „Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen“ sind den Menschen im Zuge dieses Streits, wie nicht anders zu erwarten, als parteiisch im Gedächtnis geblieben. Abgedruckt wird in der Ausgabe vom 25. Juli 1801 wortwörtlich eine Verordnung des Fürstbischofs Friedrich von York. Der Text auf der Frontseite des Blattes fordert alle Einwohner über das Mitteilungsblatt dazu auf, die „Unruhestifter“ ergreifen zu helfen, um sie „als verwegene Frevler und Missetäter durch militärische Hilfe zum Gehorsam“ zu bringen. Daraufhin sollen die Ergriffenen „mit Gefängnis, Zuchthaus, Festungsbau“, womöglich gar mit „Lebensstrafen“ belangt werden. ## Ende des Kleinstaats – und keine Hauptstadt mehr Ein Jahr darauf findet die jahrhundertealte Eigenständigkeit des Fürstentums Osnabrück ihr abruptes Ende. Das Geschehen nimmt Ende 1802 seinen Anfang. Das Lokalblatt ist auch hier ein Spiegel der bevorstehenden Geschehnisse: Die Leser der Osnabrückischen Anzeigen können den bevorstehenden Exitus ihres Kleinstaats am 13. November schwarz auf weiß nachlesen: Fürstbischof Friedrich von York hat in einem Brief an seinen Vater, den britischen König Georg III., feierlich angekündigt, ihm das alte Stiftsgebiet des Osnabrücker Landes zu übergeben. Der Monarch im fernen London herrscht fortan nicht nur über Großbritannien, sondern auch über Irland, Braunschweig-Lüneburg, Hannover – und nun auch über das Osnabrücker Land. Kirchliche Besitztümer werden auch hier durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 säkularisiert. Osnabrücks jahrhundertelang gelebte Eigenständigkeit ist für alle Zeit beendet. Vom entfernten Kriegs- und Schlachtengeschehen, das sich unter den Hauptakteuren Frankreich, Großbritannien, Preußen, Österreich und Russland entwickelt, ist bis dahin eher wenig im Alltagsleben der Stadt zu spüren. Als Großbritannien im März 1803 dem französischen Kaiser Napoleon den Krieg erklärt, müssen die Menschen in Osnabrück plötzlich aber doch lernen, dass sich fortan auch ihr Alltag massiv ändert. Erstes äußeres Zeichen ist der eher hektisch verlaufende Abzug der unbeliebten hannoverschen Truppen. ## „Vive la Revolution!“ Doch die Nachfolger stehen bereit: Bereits am Fronleichnamstag des gleichen Jahres ziehen französische Soldaten in die Hasestadt hinein. Flatternde Fahnen und Kokarden an den zylindrigen Tschakos auf den Köpfen zeigen das Rot-Weiß-Blau der revolutionären Trikolore. Es sind jene Farben, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit versprechen. Chronisten berichten, dass der Einmarsch der Blauröcke auch deshalb bei vielen Menschen Freude auslöst und mit großen Erwartungen verknüpft ist. Ein wichtiger Zeuge jener Zeit ist der langjährige Osnabrücker Senator Gerhard Friedrich Wagner (1769-1846). Beinahe verzweifelt erinnert dieser sich in seinen später veröffentlichten Lebenserinnerungen an die Ereignisse: „Der französische Freiheitsschwindel fuhr in die junge Welt; (…). Es wurde gesungen, gejubelt; das ‚Ca ira‘ (französisches Revolutionslied, d.V.), die Carmagnole, das ‚Alons, enfants de la patrie‘ bezauberte. Wo blieben Ordnung und Häuslichkeit?“ Die Hintergründe jener Erwähnungen bilden klare Botschaften und Bekenntnisse: „Ca ira“ ist ein vielgesungenes französisches Revolutionslied, die „Carmagnole“ ein Rundgesang und Tanz. Das letztgenannte Lied nichts anderes als die bis heute gesungene französische Nationalhymne. Selbst einfachen und nicht lesegewohnten Menschen in Stadt und Region bleibt das aktuelle Geschehen irgendwann nicht mehr verborgen. Bereits unmittelbar nach der Französischen 1789-er-Revolution hat sich, wie Wagners Bemerkung zeigt, dokumentiert, dass die Debatten um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eindrucksvoll viele Menschen begeistern. Und die Auswirkungen revolutionärer Geschehnisse gehen am Ende immer mehr Zeitgenossen an. Dies hat sich nicht allein beim Gesellenaufstand von 1801 gezeigt. ## Osnabrück im Geist der Trikolore Der Geist der Trikolore hat sich längst im Alltag von Stadt und Region seinen Platz erkämpft: Seit 1793 trifft sich regelmäßig ein Gelehrtenclub um den jungen Dichter und Advokaten Theobald Wilhelm Broxtermann (1771-1800). Der Club sympathisiert offen mit der Französischen Revolution. Dokumentiert wird dies dadurch, dass sich die Mitglieder sogar französische Namen geben. Später wird der Osnabrücker sogar Mitglied des revolutionären Wohlfahrtsausschusses der Batavischen Republik in der Provinz Geldern in den heutigen Niederlanden. Gesmolder Bauern sorgen 1794 durch ihren Kampfgeist dafür, dass ein inhaftierter Müller freigelassen werden muss. Der alte Gefangenen-Turm im Schloss ist dabei, ähnlich wie der berühmte Turm der Pariser Bastille von 1789, als Symbol der Unterdrückung zerstört worden. In der informierten Öffentlichkeit von Stadt und Fürstentum wird auch dies als Sympathie mit dem revolutionären Frankreich wahrgenommen. Auch Geflüchtete prägen das Stadtbild. Als getürmte französische Adelige mitsamt ihrer Dienerschaft nach der dortigen Revolution auch in Osnabrück ankommen und mühevoll versorgt werden müssen, wird das französische Geschehen auch im täglichen Straßenbild offenkundig. Selten zum Wohle des Adels. Kurzum: Auch deshalb, weil infolge miserabler Erfahrungen mit hannoverschen Truppen hohe Erwartungen mit der neuen Besatzung verknüpft sind, darf man durchaus von einem pro-französischen Verhalten großer Teile der Stadtbevölkerung sprechen. ## Fortschritts-Botschaften fern des Nationalgefühls Die neue Zeit spiegelt sich sofort in Gestalt der Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen. Zumal die neuen Besatzer großen Wert darauf legen, dass nicht nur Osnabrücker, sondern auch Militärangehörige das Blatt studieren, erscheinen besonders wichtige Anzeigen-Ausgaben von nun an nicht nur mit deutschen, sondern auch mit französischen Texten. Großen Wert legt das militärische Kommando in der Stadt auf die Information, dass man es auf ein gutes Einvernehmen zwischen Soldaten und Einheimischen abgesehen hat. Bereits die Anzeigen vom 23. Juni 1803 legen deshalb hohes Gewicht auf die Mitteilung, dass „große Teile der Einwohner“ mit ihrer jeweiligen Einquartierung „in freundschaftlicher Harmonie“ leben, schreibt 120 Jahre später der Presse-Historiker Rudolf Lenzing. Bekanntmachungen darüber, dass französische Soldaten keinerlei Privatbesitz von Osnabrücker beschlagnahmen dürfen, sollen ebenso der Vertrauensbildung unter den Angehörigen der beiden Nationen dienen. Auch der Befürchtung, Soldaten könnten zu späterer Tageszeit für Unruhe sorgen, versuchen die Verantwortlichen über das Lokalblatt, dies teilweise zweisprachig, vorzubeugen. Am 16.März 1805 ist in den Anzeigen nachzulesen, dass für Soldaten und Korporäle ab 20 Uhr, für Offiziere ab 22 Uhr ein Ausgangsverbot herrscht. Wirtsleute sind angewiesen, nichts an Armeeangehörige auszuschenken. Derartige Verordnungen sind fortan nicht nur in den Anzeigen zu studieren, sondern hängen auch per Anschlag in örtlichen Wirtshäusern. Der bereits zu Wort gekommene Senator Wagner muss rückblickend eingestehen, dass von einem deutschen Nationalgefühl in jener Zeit wohl kaum die Rede ist: „Wir selbst wussten nicht, ob wir hannöversch, preußisch oder holländisch waren“, bringt er seine Einsicht auf den Punkt. Durchaus begierig und interessiert warten jetzt all diejenigen Osnabrücker auf Meldungen, die sehnsüchtig auf eine Verbesserung ihrer Lebensumstände hoffen. Folgt man den abgedruckten Meldungen über derartige Verbesserungen, werden die genannten Leser nicht enttäuscht: In den Anzeigen werden festgesetzte Preistaxen für Brot, Fleisch und Bier bekannt gemacht, was die Einheimischen vor Preiswucher schützt. Regelmäßig wird über die Hilfen wohltätiger Stiftungen bis hin zu öffentlichen Armenspeisungen informiert. Die Übernahme des französischen Code Civile bedeutet zum ersten Mal eine Rechtsgleichheit aller Bürger. Auch Juden bekommen erstmals ein Bürgerrecht. ## Hausnummern und neue Friedhöfe Die Verwaltung wird durchschaubarer und effektiver umgestaltet. Äußeres Zeichen einer modernen Verwaltung sind flächendeckende Hausnummern. Alle wichtigen Straßen werden neu gepflastert. Eine weitere Neuerung sah eine völlig andere Bestattungspraxis vor: Menschen dürfen verstorbene Angehörige nur noch außerhalb der beengten Stadtmauern beerdigen. Der Hasefriedhof sowie der Johannisfriedhof, beide 1808 angelegt, sind Produkte der französischen Verwaltung. Die Beisetzung im Umfeld der Kirchen, Hospize oder Krankenhäuser, die zu Platzmangel und hygienischen Problemen geführt haben, findet ihr Ende. Nicht verwunderlich ist es angesichts der Kriegssituation allerdings auch, dass sich viele zugleich auf Belastungen einstellen müssen. Doch selbst hier bemühen sich die Besatzer um eine soziale Verteilung: Während Kapital- und Grundbesitzer eine Quartierssteuer abdrücken müssen, erhalten vormalige Leibeigene sowie Verantwortliche für wohltätige Fonds die Mitteilung, dass sie von solchen Steuerzahlungen restlos befreit sind. Auch die in erheblicher sozialer Not lebenden Heuerleute können grundlegende Verbesserungen ihres Alltags erwarten. Unmissverständlich werden alle Gemeinden des besetzten Gebiets im Jahre 1805 angewiesen, „für die Notdurft (im heutigen Sinne könnte man Wohlergehen sagen, d. V.) sämtlicher Eingesessenen mit Einschluss der Heuerleute zu sorgen.“ Viel bemühen sich die Verantwortlichen darum, die deutsch-französischen Sprachbarrieren zu überwinden. Immer wieder benutzen Verkäufer oder Suchende die Anzeigen, wenn es um den Verkauf oder den Ankauf deutsch-französischer Wörterbücher geht. Sogar Verlustanzeigen wie die Suche nach einem entlaufenen Hühnerhund werden in Deutsch wie Französisch abgefasst. Selbst im Rahmen von gemeinsamen, zweisprachig gestalteten Gottesdiensten wird Gemeinsamkeit demonstriert. Beispiel dafür ist die Einladung der evangelisch-reformierten Gemeinde, die am 6. April 1805, mangels einer eigenen Kirche, zu einem gemeinsamen Gottesdienst in die damalige Zuchthauskirche einlädt. Quelle: Osnabrücker Rundschau
Wiener Kongress
## Die Neuordnung Europas 1814/15 Nach der Niederlage von Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und dem Ende der Koalitionskriege 1814 mussten die führenden europäischen Souveräne und Staatsmänner auf dem Wiener Kongress die Grenzen der Staaten neu festlegen. Die Napoleonische Zeit hatte die europäische Landkarte sowie die politischen Strukturen stark verändert. Es war die Bildung einer Ordnung notwendig, die Friedenssicherung und Beständigkeit versprach. Die Neuordnung von ungefähr 200 Staaten, Fürstentümern und souveränen Städten in Europa war eine äußerst komplexe Angelegenheit, die in Ausschüssen geleistet werden sollte. Sie behandelten jeweils die deutsche und die europäische Frage. Die wichtigsten Entscheidungen wurden von den Vertretern der fünf Großmächte getroffen, die ohnehin den Kongress dominierten: der britische Außenminister Robert Stewart Viscount Castlereagh (1769-1822), der österreichische Staatskanzler Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich (1773-1859), der preußische Außenminister Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822), der russische Zar Alexander I. (1777-1825) sowie der französische Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754-1838). Dem Vertreter Frankreichs wurde zunächst nur der Beobachtungsstatus zugesprochen, erst im Januar 1815 bezog man ihn in die Verhandlungen mit ein. Die Arbeit des Kongresses war von fünf Grundsätzen geprägt: Die politische Ordnung sollte restauriert werden; die Legitimität für die erneute Übernahme der Herrschaft der vertriebenen Fürstenhäuser – wie etwa den Bourbonen in Frankreich – wiederhergestellt werden; die Souveränität der Monarchie war zu gewährleisten; man verpflichtete sich der Solidarität hinsichtlich der Unterbindung jeglicher revolutionärer Bewegungen und schließlich wurde ein Gleichgewicht der europäischen Mächte angestrebt, um die Sicherheit der staatlichen und politischen Systeme zu sichern. Die territorialen Veränderungen durch den Wiener Kongress standen in direktem Zusammenhang mit der politischen Neuordnung Europas. Immerhin wurden die politischen Machtansprüche eines Staates auch an seine jeweiligen geografischen Ausweitungen gemessen. Daher bestand auch ein Großteil der Streitfragen aus den unterschiedlichen territorialen Interessen der Kongressteilnehmer. Frankreich, Großbritannien und Österreich machten keine territorialen Expansionsansprüche geltend. Preußen dagegen verlangte die Übernahme des Königreiches Sachsen, das auf der Seite Napoleons gekämpft hatte und somit nach dem zeitgenössischen Kriegsverständnis zur Verfügung der Sieger stand. Diese Ansicht teilte Preußen mit dem Russischen Reich, das seine Herrschaft auf dem polnischen Gebiet ausdehnen wollte. Dies hätte eine Dominanz Preußens in Mitteleuropa sowie eine bedeutsame Vorherrschaft Russlands in Osteuropa zur Folge gehabt und ein Gleichgewicht der europäischen Großmächte verneint. So formierten sich für kurze Zeit neue Allianzen; Russland und Preußen standen Österreich, Frankreich und Großbritannien gegenüber. Karikatur auf den Wiener Kongress, 1814/15 Im Januar 1815 drohte der sächsisch-polnische Konflikt in einem erneuten Krieg zu eskalieren. Da beide Seiten aber einen weiteren kriegerischen Konflikt unbedingt vermeiden wollten, reduzierten Preußen und Russland ihre Forderungen. Preußen erhielt zwei Fünftel Sachsens sowie Posen und gelangte in den Besitz von Danzig, das während der Herrschaftszeit Napoleons zur eigenständigen Republik ausgerufen worden war. Darüber hinaus verfügte es über die linksrheinischen deutschen Gebiete sowie Westfalen. Die Fläche der preußischen Herrschaft umfasste nun ungefähr 280.000 km2 mit circa 10,3 Millionen Einwohnern, sodass Preußen beinahe den Zustand von 1795 erreichte. Im Vergleich zu der Zeit vor der Französischen Revolution hatte der preußische Staat seine Fläche knapp um ein Drittel erweitern und seine Einwohnerzahl sogar verdoppeln können. Russland erhielt das Königtum Polen oder auch Kongresspolen als Personalunion. Dies umriss die Grenzen des während der napoleonischen Herrschaft geschaffenen Herzogtums Warschau. Die Hoffnungen auf einen eigenständigen polnischen Staat erfüllten sich nach dieser Neuordnung nicht. Auch Österreich hatte starke Veränderungen zu verzeichnen. Es gab seine linksrheinischen Besitztümer auf. Die ehemals österreichischen Niederlande gingen in den Besitz des Königreichs der Vereinigten Niederlande über, der Breisgau und die angrenzenden Gebiete wurden zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg aufgeteilt. Das Haus Habsburg konzentrierte seinen herrschaftlichen Einfluss somit zunehmend auf Süd- und Südosteuropa, indem es seine früheren Besitztümer wie Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Krain, Triest, Galizien, Mailand, Venetien, Dalmatien und Salzburg zurückerhielt. Das Königreich Bayern erhielt die Pfalz zurück. Grund für diese territorialen Veränderungen war ein erneutes expansionistisches Streben Frankreichs unbedingt zu verhindern. Die Präsenz der Großmächte Preußen und Österreich in Mittel- und Südeuropa sollte dies garantieren. In diesem Zusammenhang standen aber auch die territorialen Veränderungen der Mittelstaaten. Dazu zählten das Vereinigte Königreich der Niederlande, Piemont-Sardinien und die Schweiz. Sie dienten unmittelbar an der ostfranzösischen Grenze als „Schutzwall“. Auch die Entstehung des Deutschen Bundes hing mit dem neuen europäischen Sicherheitssystems eng zusammen.Für Frankreich wurden dagegen die Grenzen von 1792 festgesetzt. Die abgeschlossene territoriale Aufteilung Europas sollte den Frieden dauerhaft gewährleisten. Die endgültigen Beschlüsse und Vereinbarungen des Kongresses wurden in der Wiener Kongressakte vom 8. Juni 1815 festgesetzt. Die Gründung des Deutschen Bundes wurde separat in der Deutschen Bundesakte geregelt. Im Wesentlichen blieben die territorialen Veränderungen, die der Kongress festgelegt hatte, bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestehen.
Beethovens Klaviertrio op. 70
Beethoven schrieb die zwei Klaviertrios im Sommer 1808 während eines Aufenthaltes auf dem Landgut Floridsdorf von Gräfin Marie von Erdődy, seiner Gönnerin und Widmungsträgerin der Werke. Zu dieser Zeit vollendete er auch seine 5. Sinfonie und die 6. Symphonie, die „Pastorale“. Nach der Vollendung der beiden Klaviertrios begann er im Herbst 1808 mit Skizzen zur Chorfantasie op. 80, dem Vorläufer des berühmten Schlusssatzes seiner 9. Sinfonie. ### Erster Satz: Allegro vivace e con brio Eine stürmisch aufsteigende, fünfmal jeweils eine Quarte höher beginnende absteigende Sequenz im Unisono aller drei Instrumente zu Beginn des Satzes wird von einem kantablen Thema abgelöst, das von den Instrumenten abwechselnd vorgetragen wird. Sowohl die Exposition als auch der Mittelteil von Durchführung und Reprise werden wiederholt; ein Seitenthema fehlt. ### Zweiter Satz: Largo assai ed espressivo Der in d-Moll stehende Mittelsatz beginnt in Cello und Violine, dann tritt mit pulsierenden Akkorden das Klavier hinzu. Die gespenstische Atmosphäre des Satzes, die von Musikwissenschaftler Paul Bekker als »eine der wunderbarsten Offenbarungen beethovenscher Schwermut« bezeichnet wurde, entsteht u. a. durch seine Klaviertremoli und chromatischen Skalen. Die Bezeichnung des Trios als „Geistertrio“ geht auf Beethovens Schüler Carl Czerny zurück, der, wie er 1842 schrieb, sich durch diesen Satz an den ersten Auftritt des Geistes in William Shakespeares Tragödie Hamlet erinnert fühlte: »Der Charakter dieses sehr langsam vorzutragenden Largo ist geisterhaft schauerlich, gleich einer Erscheinung aus der Unterwelt«. Laut Musikwissenschaftler Martin Gustav Nottebohm entwarf Beethoven parallel zur Komposition des Trios einen Hexenchor für eine geplante Opernkomposition mit Shakespeares Tragödie Macbeth als Vorlage. ### Dritter Satz: Presto Mit dem Finalsatz in D-Dur kehrt das Trio zu einer gelösten Stimmung zurück. Laut Hermann Swietly ist dieser Satz das »Nachklingen der aufwühlenden Gestik des Mittelsatzes in lichtvollen Gefilden; ein prachtvoller und glänzender, durch nichts getrübter Abschluss für ein Werk, welches in der Musikgeschichte nicht seinesgleichen hat«.
La mort d'Adam
La mort d'Adam ist eine tragische Lyrik zu einem biblischen Thema in drei Akten von Jean-François Le Sueur mit einem französischen Libretto von Nicolas-François Guillard nach Klopstock, das erstmals 1809 aufgeführt wurde, obwohl es einige Jahre zuvor geschrieben wurde.
Isouards Aschenbrödel, (Cendrillon)
Stadlers "Die Befreyung von Jerusalem"